Keine Erbschaftsteuerbefreiung für Familienheim bei dreijähriger Renovierungsphase

Zur Bestimmung des Merkmals der Unverzüglichkeit der Bestimmung zur Selbstnutzung ist auf den Beginn der Selbstnutzung abzustellen. Unverzüglich erfordert das Handeln ohne schuldhaftes Zögern. Umstände, die im Einflussbereich des begünstigten Erwerbers liegen, sind nur unter besonderen Voraussetzungen nicht dem Erwerber anzulasten. Der Erwerb eines Familienheims ist nicht erbschaftsteuerfrei, wenn der Erbe schnellere Möglichkeiten einer notwendigen Renovierung nicht ergreift. 

Sachverhalt
Der Kläger (Kl.) beerbte seinen 2013 verstorbenen Vater, der bis zu seinem Tod ein Doppelhaus bewohnte. Die andere Hälfte des Doppelhauses bewohnte der Kl. Nach dem Tod des Vaters verband der Kl. die Doppelhaushälften baulich und katastermäßig. Nach Abschluss von Sanierungs- und Renovierungsarbeiten in der ererbten Doppelhaushälfte nutzte der Kl. ab 2016 die zusammengeführten Hälften als eine Wohnung.

Der Kl. beantragte, für die vom Vater ererbte Haushälfte die Steuerbefreiung gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG, was das FA ablehnte, weil das Tatbestandsmerkmal der unverzüglichen Selbstnutzung nicht erfüllt sei. Hiergegen richtete sich der Einspruch des Kl., da eine Selbstnutzung von Anfang an beabsichtigt gewesen sei. Die Verzögerungen habe er nicht zu vertreten. Den Einspruch wies das FA unter Bezugnahme auf das BFH-Urteil v. 23.6.2015 (II R 39/13, BStBl. II 2016, 225, DStR 2015, 2066) zurück. Es sei weder dargelegt noch nachgewiesen, dass die verzögerte Nutzung des Objekts zu eigenen Wohnzwecken nicht durch den Kl. zu vertreten gewesen sei.

Entscheidung
Das FG wies die Klage als unbegründet zurück. Der Kl. habe keinen Anspruch auf die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG, weil die geforderte Selbstnutzung nicht unverzüglich erfolgt sei.

Die Bestimmung zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken liege vor, wenn der Erwerber die Absicht habe, das ererbte Haus zu eigenen Wohnzwecken zu nutzen und diese Absicht auch tatsächlich umsetze. Dies lasse sich nur anhand äußerer Umstände feststellen. Daher sei erforderlich, dass der Erwerber in die Wohnung einziehe und sie als Familienheim für eigene Wohnzwecke nutze. Eine bloße Widmung zur Selbstnutzung sei nicht ausreichend.

Unverzüglichkeit bedeute Handeln ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 BGB). Hierfür stehe dem Erben regelmäßig ein Zeitraum von sechs Monaten nach dem Erbfall zur Verfügung. Dieser Zeitraum umfasse die zuzubilligende Bedenkzeit, die Zeit für eine Renovierung und den Umzug. Umstände, die der Entscheidungsgewalt des Erwerbers unterliegen, seien ihm nur unter besonderen Voraussetzungen nicht anzulasten. Das könne der Fall sein, wenn nach Beginn der Renovierungsarbeiten ein gravierender Mangel entdeckt werde, der vor dem Einzug des Erwerbers beseitigt werden müsse.

Anders als der Kl. meine, sei die Mitnutzung einzelner Räume im Haus des Erblassers zu Lagerzwecken sowie des zum Familienheim gehörenden Gartens noch nicht der Beginn der Selbstnutzung gewesen. Frühzeitig zur Planung der notwendigen Arbeiten aufgenommene Kontakte zu Fachfirmen seien irrelevant. Schäden, die zu einem unverschuldeten Hinauszögern der Selbstnutzung führten, müssten entweder beim Erbfall bereits vorhanden gewesen oder innerhalb von sechs Monaten zutage getreten sein. Mit ihrer Beseitigung müsse jedenfalls innerhalb dieser Frist begonnen worden sein. Auch hätte der Kl. Möglichkeiten zur schnellen Schadensbeseitigung ergreifen müssen, um die Unverzüglichkeit der Selbstnutzung zu gewährleisten. Gegen die Unverzüglichkeit der Selbstnutzung des ererbten Familienheims spreche auch der Umstand, dass der Kl. erst nach Ablauf von sechs Monaten nach dem Tod des Erblassers dessen Haus geräumt und entrümpelt habe.

Quelle: FG Münster, Urt. v. 24.10.2019 – 3 K 3184/17 Erb