Abzinsung von Angehörigendarlehen

Unverzinsliche (betriebliche) Verbindlichkeiten aus Darlehen, die ein Angehöriger einem Gewerbetreibenden, Selbständigen oder Land‑ und Forstwirt gewährt, sind nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG abzuzinsen, wenn der Darlehensvertrag unter Heranziehung des Fremdvergleichs steuerrechtlich anzuerkennen ist ( Urteil des Bundesfinanzhofs vom 13. Juli 2017, VI R 62/15 ).

Im Urteilsfall war streitig,  ob Darlehen zwischen Ehegatten gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) gewinnerhöhend abzuzinsen sind. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute und werden zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Der Kläger erzielte in den Streitjahren (2005 und 2006) Einkünfte aus Land‑ und Forstwirtschaft, aus Gewerbebetrieb, sowie aus selbständiger Arbeit und Kapitalvermögen, die Klägerin Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, Vermietung und Verpachtung sowie aus privaten Veräußerungsgeschäften (2005).

Die Klägerin stellte dem Kläger am 2. Januar 2006 Geldbeträge, welche sie aus privaten Verkäufen erzielt hatte, in Höhe von 722.000 € für den Gewerbebetrieb und für den land‑ und forstwirtschaftlichen Betrieb zur Verfügung. In der Bilanz zum 30. Juni 2006 wurde letzterer Betrag als Einlage erfasst. In den Bilanzen des Gewerbebetriebs zum 31. Dezember 2006 und des land‑ und forstwirtschaftlichen Betriebs für das Wirtschaftsjahr 2006/07 wurden die beiden Geldbeträge demgegenüber als Darlehen ausgewiesen.

Im Rahmen der endgültigen Veranlagung 2006 im Jahr 2008 reichten die Kläger auf den 28. Dezember 2005 datierte Darlehensverträge mit folgendem gleichlautenden Inhalt nach:

„Der Darlehensgeber gewährt dem Darlehensnehmer ein Darlehen zur Ablösung von Schulden in der Landwirtschaft (Gastwirtschaft). Das Darlehen ist unverzinslich. Die Auszahlung des Darlehens erfolgt am 2.1.2006. Das Darlehen ist am 31.12.2015 in voller Höhe zur Rückzahlung fällig."

Im Zuge weiterer Ermittlungen ergab sich, dass die Darlehensverträge erst im Jahr 2008 schriftlich fixiert wurden, aber bereits bei Hingabe der Beträge am 2. Januar 2006 eine Darlehensvereinbarung bestanden hatte.

Anlässlich einer Befragung der Bußgeld‑ und Strafsachenstelle erklärte die Klägerin, es habe sich bei den Geldzuwendungen nicht um Schenkungen, sondern um Darlehen an ihren Mann gehandelt. Zwar seien die Geldzuwendungen zunächst als Einlage verbucht worden, im folgenden Wirtschaftsjahr seien jedoch Berichtigungsbuchungen vorgenommen worden. Auch der damalige steuerliche Berater führte anlässlich einer Befragung aus, die Kläger hätten stets betont, dass es sich um Darlehen der Ehefrau gehandelt habe.

Das FA ging deshalb davon aus, dass die Geldbeträge als Darlehen zur Finanzierung der beiden Betriebe gewährt worden und steuerlich anzuerkennen seien. Wegen der Unverzinslichkeit seien die Darlehen gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG mit einem Zinssatz von 5,5 % abzuzinsen. Dadurch ergäben sich Gewinnerhöhungen bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb und bei den Einkünften aus Land‑ und Forstwirtschaft.

Nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG sind (betriebliche) Verbindlichkeiten unter sinngemäßer Anwendung des § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG anzusetzen und mit einem Zinssatz von 5,5 % abzuzinsen. Ausgenommen von der Abzinsung sind Verbindlichkeiten, deren Laufzeit am Bilanzstichtag weniger als zwölf Monate beträgt, und Verbindlichkeiten, die verzinslich sind oder auf einer Anzahlung oder Vorauszahlung beruhen (§ 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 EStG). Die Verpflichtung zur Abzinsung gilt für Sachleistungsverpflichtungen ebenso wie bei Geldleistungsverpflichtungen.

Eine betriebliche Verbindlichkeit liegt vor, wenn der auslösende Vorgang einen tatsächlichen oder wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem Betrieb aufweist. Demgemäß sind Darlehensverbindlichkeiten dem Betriebsvermögen zuzuordnen, wenn die Kreditmittel für betriebliche Zwecke, beispielsweise zur Anschaffung von Wirtschaftsgütern oder zur Ablösung anderer Betriebsschulden, verwendet werden. Auf die Person des Gläubigers oder seine Beweggründe kommt es nicht an, so dass auch bei einem Gefälligkeitsdarlehen unter Verwandten allein der vom Darlehensnehmer mit der Darlehensaufnahme verfolgte Zweck entscheidend ist.

Darlehen, die einem Betriebsinhaber von einem Angehörigen gewährt werden, sind allerdings nicht dem Betriebsvermögen, sondern dem Privatvermögen des Betriebsinhabers zuzuordnen, wenn sie zwar zivilrechtlich, aber unter Heranziehung des Fremdvergleichs steuerrechtlich nicht anzuerkennen sind. Daraus folgt nicht nur, dass Zinsen hierfür nicht als Betriebsausgaben abzugsfähig sind, sondern auch, dass die Darlehensvaluta selbst dem Privatvermögen des Betriebsinhabers zuzuordnen ist. Wenn und soweit der Darlehensbetrag dem betrieblichen Konto gutgeschrieben wird, ist dieser in der Bilanz daher zwingend als Einlage zu erfassen.

Maßgebend für die Beurteilung, ob Verträge zwischen nahen Angehörigen durch die Einkunftserzielung (§ 4 Abs. 4, § 9 Abs. 1 EStG) veranlasst oder aber durch private Zuwendungs‑ oder Unterhaltsüberlegungen (§ 12 Nrn. 1 und 2 EStG) motiviert sind, ist seit der Neuausrichtung der höchstrichterlichen Rechtsprechung im Anschluss an den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts die Gesamtheit der objektiven Gegebenheiten. Zwar ist weiterhin Voraussetzung, dass die vertraglichen Hauptpflichten klar und eindeutig vereinbart sowie entsprechend dem Vereinbarten durchgeführt werden. Jedoch schließt nicht mehr jede Abweichung einzelner Sachverhaltsmerkmale vom Üblichen die steuerrechtliche Anerkennung des Vertragsverhältnisses aus. Von wesentlicher Bedeutung ist, ob die Vertragschancen und ‑risiken in fremdüblicher Weise verteilt sind. Ferner ist von Belang, ob es sich um ein Rechtsgeschäft unter volljährigen, voneinander wirtschaftlich unabhängigen Angehörigen oder um eine Vereinbarung etwa zwischen Eltern und minderjährigen Kindern handelt. Dabei hängt die Intensität der Prüfung des Fremdvergleichs bei Darlehensverträgen zwischen nahen Angehörigen vom Anlass der Darlehensaufnahme ab.

Auch unverzinsliche betriebliche Verbindlichkeiten aus Darlehen, die ein Angehöriger einem Gewerbetreibenden, Selbständigen oder Land‑ und Forstwirt gewährt hat, sind nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG abzuzinsen. Weder lässt sich dem Gesetzeswortlaut eine Einschränkung im Hinblick auf Angehörigendarlehen entnehmen noch verlangt der Zweck der Vorschrift eine Sonderbehandlung solcher Darlehen. Die Abzinsung gründet auf der typisierenden Vorstellung, dass eine erst in der Zukunft zu erfüllende Verpflichtung den Schuldner weniger belastet als eine sofortige Leistungspflicht. Sie beruht auf dem Faktor "Zeit" und folgt demgemäß dem Grundsatz, dass erst in Zukunft zu erbringende Zahlungen gegenwärtig mit ihrem Barwert abzubilden sind. Diese Überlegung gilt für Angehörigendarlehen nicht anders als für sonstige Darlehensverhältnisse.

Der Abzinsungsbetrag kann auch nicht durch Buchung einer Einlage neutralisiert werden. Zwar ist die Zinslosigkeit des Darlehens außerbetrieblich motiviert, bloße Nutzungsvorteile sind jedoch nicht einlagefähig. Ebenso scheidet die Bildung eines passiven Rechnungsabgrenzungspostens aus; denn der fiktive Zinsertrag stellt "kein vorab vereinnahmtes Entgelt" i.S. des § 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG dar.

Verfassungsrechtliche Bedenken hiergegen bestehen nicht. Es ist von der Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers gedeckt, wenn dieser eine Regelung schafft, die im Fall der Gewährung eines unverzinslichen Darlehens zunächst zu einer ‑‑im weiteren Verlauf durch Aufzinsungen kompensierten‑‑ Erhöhung des Gewinns beim Darlehensnehmer führt. Die Abzinsung von Darlehen für Zwecke der Besteuerung ist als solche weder sachwidrig noch unverhältnismäßig; sie dient vielmehr der Verteilung des Zinsaufwands nach Maßgabe einer wirtschaftlichen Zuordnung. Zu einer Ausnahmeregelung in Bezug auf Angehörigendarlehen war der Gesetzgeber nicht verpflichtet, zumal der in diesem Fall eintretende vorzeitige Gewinnausweis durch die Vereinbarung einer ‑‑sehr geringen‑‑ Verzinsung vermieden werden kann.

Das Finanzgericht hat zunächst darauf abgestellt, dass in den mündlich vereinbarten, später auch schriftlich niedergelegten Darlehensvereinbarungen Hingabe, Rückzahlung der Darlehensvaluta und Zinssatz klar und eindeutig geregelt sind. Auch hat das Finanzgericht zur Kenntnis genommen, dass die Kläger keine verkehrsüblichen Sicherheiten vereinbart haben. Zutreffend weist das Finanzamt in diesem Zusammenhang darauf hin, dass ein fremder Dritter dem Kläger Darlehensmittel ohne Sicherheiten und Ertragsaussichten nicht gewährt hätte. Gleichwohl hat das Finanzgericht hieraus nicht zwingend auf die Fremdunüblichkeit der (gesamten) Darlehensvereinbarung schließen müssen. Denn Darlehen unter nahen Angehörigen, die ‑‑wie vorliegend‑‑ nach ihrem Anlass wie von einem Fremden gewährt werden, sind trotz fehlender Sicherheiten steuerrechtlich anzuerkennen, wenn das Rechtsgeschäft ‑‑wie im Streitfall‑‑ von volljährigen und voneinander wirtschaftlich unabhängigen Angehörigen geschlossen und tatsächlich durchgeführt wurde. Schließlich spricht auch die Ertraglosigkeit des Darlehens nicht gegen die Fremdüblichkeit der Darlehensverträge. Zutreffend weist die Vorinstanz in diesem Zusammenhang darauf hin, dass auch unter Fremden und im Verhältnis Gesellschafter/Gesellschaft die Hingabe eines zinslosen Darlehens denkbar und steuerrechtlich zu berücksichtigen ist.

Ein Verstoß gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze bei der Gesamtwürdigung des Finanzgerichts liegt folglich nicht vor. Die Erkenntnis, die streitigen Darlehensverhältnisse hielten einem Fremdvergleich stand, ist vorliegend vielmehr zumindest möglich und daher für den Senat gemäß § 118 Abs. 2 Finanzgericht bindend.

Fazit:

Die Darlehensverbindlichkeiten des Klägers waren in den Streitjahren daher gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG mit 5,5 % abzuzinsen.