Gewerbesteuerpflicht einer Arztpraxis durch Aufnahme einer neuen Gesellschafterin

Niedergelassene Ärzte müssen als selbständige Freiberufler grundsätzlich keine Gewerbesteuer zahlen. Nimmt eine Gemeinschaftspraxis eine Ärztin als Gesellschafterin auf, die tatsächlich aber wie eine Mitarbeiterin behandelt wird, so werden sämtliche Einnahmen der Gemeinschaftspraxis gewerbesteuerpflichtig Denn in einem solchen Fall werden die Einnahmen der Ärztin nicht durch die eigene Fachkenntnis, Leitung und Verantwortung der verbleibenden Gesellschafter erzielt (also in "selbständiger" Tätigkeit), sondern werden quasi durch eine angestellte aber eigenverantwortlich tätige Ärztin erwirtschaftet. 

In dem entschiedenen Fall ging es um den betrieb zweier Standorte einer Gemeinschaftspraxis aus Augenärzten. Am zweiten Standort war lediglich eine Ärztin tätig, die mit Gesellschaftsvertrag in die Gesellschaft aufgenommen worden war. Sie war allerdings nicht am Gewinn und am Vermögen der Gesellschaft beteiligt.

Das Finanzamt unterwarf die Gemeinschaftspraxis der Gewerbesteuerpflicht, da die Ärztin keine Gesellschafterin, aber gleichwohl eigenverantwortlich tätig sei. Mithin seien die Einnahmen nicht Einnahmen aus selbständiger Tätigkeit der Gesellschafter.

Die Tätigkeit der Klägerin gilt grundsätzlich gemäß § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG in vollem Umfang als Gewerbebetrieb, weil ihre Gesellschafter eine freie Mitarbeiterin beschäftigt und mit ärztlichen Aufgaben betraut haben. Insoweit waren sie nicht mehr eigenverantwortlich tätig.

Nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG ist ein Angehöriger eines freien Berufs auch dann freiberuflich tätig, wenn er sich der Mithilfe fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte bedient. Voraussetzung ist jedoch, dass er aufgrund eigener Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig wird. Fachlich vorgebildete Arbeitskräfte i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG sind nicht nur Angestellte, sondern auch Subunternehmer. Dem Charakter der selbständigen Tätigkeit i.S. des § 18 EStG entspricht es, dass sie durch die unmittelbare, persönliche und individuelle Arbeitsleistung des Steuerpflichtigen geprägt ist. Fehlt der Tätigkeit des Steuerpflichtigen der "Stempel seiner Persönlichkeit", so ist sie keine freiberufliche. Auf die steuerliche oder arbeits- und sozialversicherungsrechtliche Qualifizierung der Tätigkeit der Mitarbeiter kommt es daher nicht an.

Eine aufgrund eigener Fachkenntnisse eigenverantwortliche Tätigkeit liegt nur vor, wenn die persönliche Teilnahme des Berufsträgers an der praktischen Arbeit in ausreichendem Umfang gewährleistet ist. Die Eigenverantwortlichkeit erschöpft sich nicht darin, nach außen die Verantwortung für die ordnungsgemäße Durchführung der einzelnen Tätigkeit zu tragen. Die Ausführung jedes einzelnen Auftrags muss vielmehr dem Steuerpflichtigen selbst und nicht den qualifizierten Mitarbeitern zuzurechnen sein. Es genügt daher nicht eine gelegentliche fachliche Überprüfung der Mitarbeiter.

Die Tatbestandsmerkmale "leitend" und "eigenverantwortlich" stehen nach dem Wortlaut des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG selbständig nebeneinander. Auch eine besonders intensive leitende Tätigkeit, zu der u.a. die Organisation des Sach- und Personalbereichs, Arbeitsplanung, Arbeitsverteilung, Aufsicht über Mitarbeiter und deren Anleitung und die stichprobenweise Überprüfung der Ergebnisse gehören, vermag daher die eigenverantwortliche Tätigkeit nicht zu ersetzen.

Nach diesen Rechtsgrundsätzen war die Klägerin nicht mehr in vollem Umfang eigenverantwortlich und damit nicht freiberuflich tätig. Sie betrieb seither nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG einen Gewerbebetrieb. Die Klägerin hat die Beigeladene, die bereits Fachärztin für Augenheilkunde war, als fachlich vorgebildete Arbeitskraft mit der selbständigen Behandlung von Patienten beauftragt. Deren Tätigkeit war auch nicht von ganz untergeordneter Bedeutung. Vielmehr war und ist sie gem. § 3 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrags befugt, allein Behandlungsverträge mit den Patienten abzuschließen und durchzuführen. Sie war auch gem. § 3 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrags allein zur Ausübung des fachlichen Direktionsrechts des Arbeitgebers berechtigt und verpflichtet.

Quelle: Finanzgericht Münster, Urteil vom 26. November 2021 – 1 K 1193/18 G,F