Umsatzsteuerfreiheit eines Hausnotrufsystems und von Betreuungsleistungen in einem Altenheim

Mit Urteil des Bundesfinanzhofs vom 3.8.2017, V R 52/16 wurde entschieden, dass für die Umsatzsteuerfreiheit von Betreuungsleistungen erforderliche Kostentragung durch die Pflegekasse sich beim Betrieb eines Hausnotrufsystems aus der Zuerkennung einer Pflegestufe ergibt.

Streitig war, ob Betreuungsleistungen sowie die Überlassung eines Hausnotrufsystems in den Jahren 2009 und 2010 (Streitjahre) steuerfrei sind.

Die Klägerin, eine GbR, betreibt seit 2007 eine sog. Seniorenresidenz bestehend aus acht Häusern mit insgesamt 153 seniorengerechten Wohnungen. Diese Wohnungen vermietete die Klägerin an die Bewohner.

Die Klägerin bot den Bewohnern umfangreiche Verpflegungsmöglichkeiten an, die das Frühstück, Mittag- und Abendessen umfassten. Hierfür hielt sie eigene Speiseräume und überwiegend eigenes Küchen- und Hauswirtschaftspersonal vor. Ein gesonderter Pflegedienst erbrachte pflegerische Leistungen. Mit diesem ging die Klägerin eine Kooperation ein um die Inanspruchnahme grund- und behandlungspflegerischer Leistungen, entsprechend den Richtlinien des Elften Buchs Sozialgesetzbuch (SGB XI) und des Fünften Buchs Sozialgesetzbuch, zu ermöglichen. Die Klägerin war gegenüber den Bewohnern nicht zur Erbringung von Pflegeleistungen verpflichtet. Der Pflegedienst erbrachte diese Leistungen in eigener Verantwortung gegenüber den Bewohnern.

Daneben erbrachte die Klägerin an die Bewohner eine Vielzahl von Serviceleistungen in Bereichen wie Beratung und Information, Freizeitgestaltung im Haus, Durchführung von Veranstaltungen, Organisation und Durchführung regelmäßiger Ausflüge, Essen im hauseigenen Restaurant mit Menüauswahl, Vermittlung von Ärzten und Terminabsprachen, Rezeptbestellung, Einkaufsservice, Postempfang und -versand, Notrufsystem, Reinigung der Wohnungen, Wäschedienst, Hausmeisterservice, Blumenpflege, Speise- und Getränkeservice.

Für den Bewohner betrugen die Kosten für das Hausnotrufsystem monatlich 17,90 EUR. Eine Betreuungspauschale von monatlich 75 EUR war für folgende Leistungen zu zahlen: Beratung und Unterstützung in Fragen zur altersgerechten Betreuung und Pflege, Vermittlung und Hilfeleistung von und bei Arztbesuchen, Rezeptbestellung und -besorgung, Taxibestellung, altersgerechte Veranstaltungen der Unterhaltung, Geselligkeit, Bildung und Deckung kultureller Bedürfnisse, Benachrichtigung und Information von Angehörigen, Hilfestellung beim Umgang mit Rollator oder Rollstuhl sowie Hausmeisterleistungen, soweit dies übliche Vermieterbelange betraf (Bereitstellung Sammelmüllcontainer am Abholtag, Wartung Haustechnik etc.).

Die Leistungen des Hausnotrufsystems und die Betreuungspauschale rechnete die Klägerin unmittelbar gegenüber den Bewohnern ab. Beide Leistungen behandelte die Klägerin u.a. in den Jahren 2009 und 2010 (Streitjahre) als umsatzsteuerfrei nach § 4 Nr. 16 des Umsatzsteuergesetzes.

Weitere Leistungen wie Wäschedienst, Hausmeisterservice, Blumenpflege, Speisen- und Getränkeleistungen, Telefon, Gästewohnen rechnete die Klägerin gegenüber den Bewohnern nach dem Regelsteuersatz ab.

 

Die Empfänger der durch den Unternehmer erbrachten Leistungen sind aufgrund der Zuerkennung einer Pflegestufe nach § 15 SGB XI wie beim Betrieb eines Hausnotrufsystems zum Leistungsbezug nach §§ 36 ff. SGB XI berechtigt, d.h. für diese Leistungsempfänger kann eine Kostentragung durch die Pflegekassen als Sozialversicherungsträger i.S. von § 4 Nr. 16 Buchst. k UStG unterstellt werden.

Steuerfrei waren in den Streitjahren nach § 4 Nr. 16 UStG die mit dem Betrieb von Einrichtungen zur Betreuung oder Pflege körperlich, geistig oder seelisch hilfsbedürftiger Personen eng verbundenen Leistungen. Nach Buchst. k musste es sich zudem um Einrichtungen, bei denen im vorangegangenen Kalenderjahr die Betreuungs- oder Pflegekosten in mindestens 40 % der Fälle von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung oder der Sozialhilfe oder der für die Durchführung der Kriegsopferversorgung zuständigen Versorgungsverwaltung einschließlich der Träger der Kriegsopferfürsorge ganz oder zum überwiegenden Teil vergütet worden sind, handeln.

Diese Vorschrift beruht unionsrechtlich auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL. Danach befreien die Mitgliedstaaten die "eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundenen Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen, einschließlich derjenigen, die durch Altenheime, Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen bewirkt werden".